Die Geschichte der AWO

Die Entwicklung der AWO in Schlaglichtern

Eine kurze Darstellung der Verbandsentwicklung in Schlaglichtern
Von Robert Schwind, 2007

“Vorher machten Frau Pfarrer und Frau Direktor in Wohlfahrt und prüften dabei nach moralischen Kriterien. Das hing uns buchstäblich zum Halse raus, schließlich braucht ein jeder hungernder Mensch in dieser Zeit Hilfe!”

Magdalena Heilmann

Die Arbeiterwohlfahrt ist heute einer der sechs Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege mit bundesweit mehr als 237.000 hauptamtlich Beschäftigten und ca. 310.000 Mitgliedern, der geprägt ist durch den Dualismus von Mitgliederorganisation und hauptamtlich getragenen sozialen Einrichtungen. Charakteristisch ist dabei der hohe Qualitätsanspruch des Verbandes an die eigene Arbeit und sein spezifisches Erbe seit seiner Gründung, das Prinzip der Nichtdiskriminierung in der sozialen Arbeit in der Praxis zu realisieren. Wie es Magdalena Heilmann in dem, diesem Text vorangestellten, Zitat ausdrückt, war dies bei den damals dominanten konfessionell gebundenen und bürgerlichen Wohlfahrtsverbänden keineswegs selbstverständlich.

1919 – 1933 Jahre des Aufbaus – Die Weimarer Republik

Am 13. Dezember 1919 wurde die Arbeiterwohlfahrt, eher beiläufig unter dem Punkt Organisationsangelegenheiten vom Reichsvorstand der SPD gegründet. Die Initiative für diese Gründung ging von der damaligen Frauenleiterin der Partei und Reichstagsabgeordneten Marie Juchacz aus.

Ziel und Arbeitsschwerpunkt des Verbandes, war die Demokratisierung des Wohlfahrtswesens, mit der Intention die staatliche Verwaltung zu beeinflussen und ehrenamtliche Kräfte für die Mitarbeit im Wohlfahrtswesen zu schulen. Eigene Einrichtungen, wie Kindertagesstätten, wurden nur als “Modelleinrichtungen” betrieben. Getragen wurde der Verband hauptsächlich von Frauen aus der Arbeiterschaft (Marie Juchacz, Elfriede Ryneck, Louise Schroeder) und dem jüdischen Bürgertum (Helene Simon, Hedwig Wachenheim). Dabei hatte der Verband in den Anfangsjahren mit der Anerkennung als Wohlfahrtsverband zu kämpfen. 1925 folgte die organisatorische Trennung von der SPD und die Organisation in lokalen Vereinen.

1933 – 1945 Verbot, Verfolgung und Widerstand – Die Zeit des Nationalsozialismus

Nach der Machtergreifung der Nazis, versuchte die Arbeiterwohlfahrt ihr Barvermögen dem Zugriff der Nazis zu entziehen indem sie das Vermögen in ein “Deutsch-Ausländisches Jugendwerk” einbrachte, dessen Vorsitz Elsa Brändström übernahm. Dieser Verein unterhielt bis 1936 in Berlin-Reinickendorf einen Kindergarten für überwiegend jüdische Kinder. Diese Strategie war wohl begründet, denn mit der Gleichschaltung der Gewerkschaften, versuchte die NS-Administration im Mai 1933 die AWO in die Deutsche Arbeitsfront zu integrieren. Dieser Versuch scheiterte, weil sich die ehrenamtlichen Helfer und Funktionäre der Gleichschaltung entzogen. Daraufhin wurde vielerorts die Arbeiterwohlfahrt von der Gestapo verboten.

In Berlin beispielsweise arbeitete die AWO mit der Aufgabe politisch Verfolgte zu unterstützen als “Sozialer Dienst” der illegalen SPD noch bis Ende der dreißiger Jahre.

Legal überlebte die AWO in Form mehrer Exilgründungen im Ausland, die dabei erst als Hilfsorganisationen für Emigranten und nach dem 2. Weltkrieg als Hilfsorganisationen für die Menschen im zerbombten Deutschland arbeiteten. Zu Auslandsgründungen kam es in Form der AWO Paris, der AWO London, der AWO New York und der AWO Schweden.

1945 – 1961 Jahre der Neugründung und des Wiederaufbaus

Nach dem Kriegsende und der Befreiung vom Nationalsozialismus, gründete sich die AWO in den westlichen Besatzungszonen wieder. Dabei wählte man die Struktur des Mitgliederverbandes um mit den Beitragseinnahmen den Beitrag des Verbandes zu den lokalen Komitees der großen Amerikanischen Hilfswerke Care und Cralog finanzieren und damit an der Verteilung von Hilfsgütern neben den anderen Wohlfahrtsverbänden partizipieren zu können. In Berlin gelang die Zulassung der Arbeiterwohlfahrt für Groß-Berlin erst im November 1947, in Form eines Tauschgeschäftes zwischen den vier Alliierten, indem die “Arbeiterwohlfahrt” und die SED-nahe “Soziale Hilfe” die Zulassung für die gesamte Stadt erhielten. So arbeiteten in den damals 8 östlichen Stadtbezirken die einzigen Kreisverbände der AWO in der sowjetischen Zone bzw. der späteren DDR. Getragen wurde die AWO von bereits aktiven Funktionären aus der Weimarer Republik, wie Louise Schroeder und Ida Wolff, und Neueintritten überwiegend aus dem sozialdemokratischen Milieu. Die Hauptaufgaben der AWO waren dabei anfänglich die Verteilung von Hilfslieferungen aus dem Ausland, das Engagement in der Flüchtlingshilfe sowie die ehrenamtlich organisierte Hauspflege. Auch begann die AWO im Zuge der 50er Jahre eigene Einrichtungen, wie Kinder- und Seniorenheime aufzubauen.

1961 – 1989 Die Professionalisierung der sozialen Arbeit

Eine wichtige Zäsur gerade für die AWO in Berlin, stellte der Mauerbau am 13. August 1961 dar, vor dessen Hintergrund der Landesverband Berlin, um seine bisherigen Mitglieder in den Ostkreisen zu schützen, die Ostberliner Kreisverbände der Arbeiterwohlfahrt auflöste.

Für die weitere Entwicklung der AWO in den Westberliner Bezirken war die zunehmende Professionalisierung sozialer Dienste und der Rückzug des Ehrenamtes auf die Seniorenfreizeitarbeit charakteristisch. Eine Zentrale Rolle spielte in diesem Prozess die Umwandlung der ursprünglich ehrenamtlich geleisteten Hauspflege für Senioren in ein flächendeckendes Netz professionell organisierter Sozialstationen.

Ergänzt wurde dieser Prozess durch den Aufbau einer geriatrischen Klinik, weiteren Seniorenpflegeheimen sowie Einrichtungen der Hilfe und Beratung von Migrantinnen und Migranten, sowie von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Um dieses Wachstum zu steuern, wurden die Verbandsstrukturen durch die Überführung der Kreisverbände in rechtlich selbständige Vereine dezentralisiert und durch die Ausgründung größerer Betriebe in gGmbH´s die Haftungsrisiken der Vorstände minimiert.

Mit diesem Prozess einher ging ein Rückzug der ehrenamtlichen Arbeit auf die Seniorenfreizeitarbeit mit eine eher älteren Mitgliedschaft und zeitlich versetzt, ab Beginn der 80er Jahre, ein deutlicher Rückgang der Mitgliedszahlen.

1990 – 2007 Wiederaufbau in Ostberlin und Neuorientierung des Verbandes

Im März 1990 gründete sich die AWO in den Ostberliner Bezirken neu. Dabei gestaltete sich der Aufbau schwierig. Zum einen fehlte eine gewachsene Mitgliederorganisation und zum anderen führte auch die Orientierung an den Westberliner Gliederungen zur Übernahme nicht mehr ganz zeitgemäßer Strukturen und überholter Schwerpunktsetzungen. So standen für die Berliner AWO insgesamt schwierige Anpassungsprozesse an sich verändernde Märkte der sozialen Arbeit und eine Halbierung der Mitgliedsorganisation von 20 Tausend auf 10 Tausend Mitglieder im Zuge der Neunziger Jahre im Zentrum der Verbandsentwicklung.

Die Einführung der Pflegeversicherung und die damit verbundene Liberalisierung des Marktes der ambulanten Altenpflege, führte dazu, dass die AWO als tarifgebundener Träger in diesem Teilmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig war und viele Sozialstationen schließen mussten. Auf der anderen Seite erschlossen sich vor diesem Hintergrund für Gliederungen wie die damalige AWO Friedrichshain neue soziale Arbeitsfelder in der Arbeit mit Migrantinnen und Migranten, der Behindertenarbeit sowie der Kinder- und Jugendhilfe. Viele dieser Einrichtungen, wie das BAYOUMA-Haus oder die Aktivierungshilfe “Backstage” knüpften dabei an die Tradition des Modellcharakters gerade von Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt an. Damit rückten vormalige Randbereiche der Arbeit, nicht nur in Friedrichshain-Kreuzberg, zunehmend in das Zentrum der Arbeit.

Die Bezirksneugliederung in Berlin führte zu Fusionen von Kreisverbänden teilweise über zwei Stadtbezirke hinweg.

Die AWO – Ein Verband mit Zukunft!

Die Zukunft der AWO liegt im Bewahren dessen was uns ausmacht, der Anwendung des Prinzips der Nichtdiskriminierung in der sozialen Arbeit in all unseren Einrichtungen. Vor diesem Hintergrund muss das Verhältnis von Betrieben und Mitgliederorganisation sowie Haupt- und Ehrenamt neu definiert werden. Einerseits geht es dabei um klare Strukturen und Verantwortlichkeiten, andererseits aber auch um neue Formen des Ehrenamts in überwiegend hauptamtlich getragenen Einrichtungen. Dies sollte verbunden sein mit einer Neupositionierung der AWO als zivilgesellschaftlicher Akteur in ihrer ökonomischen, politischen und community-orientierten Dimension.